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Die Trollblume

In Schleusingen lebte einmal ein armer Hirt mit seiner Tochter in einer kleinen Hütte. Sie hatten nicht viel Geld, aber sie konnten gerade leben, und sie waren`s zufrieden. Das Mädchen hatte ein so feines Herz, dass es keine Tränen sehen konnte, ohne selbst traurig zu werden. Es wollte gern, dass jeder glücklich sein sollte, und wo es helfen konnte, da half es. Kam ein altes Mütterchen des Weges, das aus dem Wald Holz geholt hatte, dann trug das Mädchen ihm das Holz nach Hause; hatte sich ein Kind beim Beeren suchen verletzt, war es sicher, bei dem Mädchen Hilfe zu finden, und wenn eine der Bauersfrauen in die Stadt fahren wollte, dann versorgte das Mädchen solange die Familie.

 

Abends aber saß es dann mit dem Vater vor der Hütte und sah zu, wie der Mond heraufzog. Eines Tages ging es in den Wald, um Pilze für die Mahlzeit zu suchen. Es sammelte fleißig, und schon bald war das Körbchen gefüllt. Da setzte es sich auf einen gefällten Baumstamm, um sich ein wenig auszuruhen. Doch wie erstaunte es, als der Baum plötzlich flüsterte: „Lauf fort, Mädchen, wenn der Troll dich findet, bist du verloren!“


Das Mädchen kniete neben dem Baum nieder. „Wer ist denn der Troll?“ fragte es. „Ach, es ist ein kleiner unheimlicher Gesell, erst seit Tagen treibt er sich hier im Gehölz herum, und er stellt dir nach. Hüte dich vor ihm.“


„Ist er unglücklich?“ fragte das Mädchen. „Ich glaube wohl, denn er hat schon oft hier gesessen und gestöhnt, dass einem das Herz weh tun konnte.“ „Dann will ich ihm helfen“, sagte das Mädchen, „mir wird schon nichts geschehen.“ Und es setzte sich wieder auf den Stamm und wartete.

 

Es dauerte nicht lange, da kam der Troll. Er war hässlich und klein, trug einen langen Bart und hatte scharfe, schwarze Augen. Als er das Mädchen sah, lachte er auf, sprang herzu, um es zu fassen. Aber das Mädchen schaute den Troll nur an, da musste er die Hände sinken lassen, und er stand da, ohne zu sprechen und ohne etwas zu tun.

 

Er war ein Waldgeist, der unstet durch die Wälder streifen musste und niemals Ruhe fand. Menschen und Tiere musste er erschrecken und fürchtete sich selbst vor jedem Rascheln. Er hatte das Mädchen von weitem gesehen und wollte es gern rauben. Doch nun, wo es vor ihm saß, schwand ihm aller Mut und er sank langsam ins Gras. „Was hast du?“ fragte das Mädchen. Da stöhnte er und sagte: „Geh, so schnell du kannst, wieder fort. Ich wollte dich umbringen, aber ich vermag es nicht. Geh, sonst tötest du mich.“ „Ich will dich nicht töten“, sagte das Mädchen, „ich will dir helfen. Sag mir, was dich bedrückt.“

 

Es dauerte lange, ehe der Troll zu sprechen begann. Doch dann sagte er: „Höre, ich war einst ein Mensch, jung, schön und übermütig. Ich war nicht schlecht, aber faul und neckte die Menschen gern. Einem Bauern zersägte ich die Deichsel, einem Hirten trieb ich die Herde fort, einem Mädchen, das im Fluss badete, stahl ich die Kleider und einer alten Frau tötete ich das letzte Huhn. Sie starb darüber vor Herzeleid. An ihrem Todestag wurde ich zum Troll. Seither habe ich viel Unheil angerichtet, ich will es nie tun, und doch muss ich es tun. Das macht mich unglücklich, aber ich weiß nicht, wie ich es ändern soll.“ Das Mädchen überlegte, dann sagte es: “ Ich will meinen Vater fragen, er weiß gewiss guten Rat.“

 

Und der Hirt wusste Rat. Er sagte: “ Der Troll soll zu den Menschen gehen, denen er Böses getan hat, und er soll ihnen solange helfen, bis der Schaden wieder behoben ist. Dann wird er seine Ruhe wieder finden.“ Das Mädchen sagte es dem Troll und der tat, wie ihm geheißen. Dem einen baute er wieder einen Stall, den er zuvor eingerissen hatte, dem anderen flickte er den Wagen, dem dritten deckte er das Dach, und weil Arbeit jeden zufrieden und froh macht, wurde er es auch, und alle meinten, es sei doch noch ein recht guter Troll aus ihm geworden. Da erkrankte das Mädchen und niemand konnte ihm helfen.

 

Der Hirt wusste wohl, dass es würde sterben müssen. Alle Menschen, die das hörten, weinten. Auch der Troll weinte. Traurig durchwanderte er den Wald. Plötzlich vernahm er eine leise Stimme, die sagte: „In der Nacht wird hier eine gelbe Blume blühen. Wenn du sie dem Mädchen bringst, wird es gesund. Aber merke wohl: hast du sie dem Mädchen gebracht, so musst du sterben. Lässt du sie aber stehen, stirbt morgen früh das Mädchen.“ Der Troll rief. „Ich bringe ihr die Blume, ganz gewiss.“

 

In der Nacht pflückte er die Blume ab, ging zur Hütte und legte dem Mädchen die Blume auf die Brust. Und siehe, das Mädchen ward von Stund an gesund, der Troll aber zerfiel in feine Asche. Das Mädchen nahm die Asche und streute sie zum Fenster hinaus.

 

Als die Aschekörner die Erde berührten, blühten überall die gelben Blumen, und seitdem nennen die Menschen sie Trollblumen, zur Erinnerung an den Troll, der sein Leben gegeben hat für das Leben eines Mädchens

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